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“Die Themen liegen rum und warten nur darauf ins Netz gestellt zu werden”

Vor einem Monat startete Michael Wenzl die Internetseite AgrarBlogs.net. Dort können sich Blogs vorstellen, die sich mit landwirtschaftlichen Themen beschäftigen. So soll nach und nach ein Verzeichnis der deutschen Agrarblogger-Szene entstehen. Wir haben mit Michael Wenzl über seine Idee und die Seite farmblogger.de gesprochen, für die er schon seit 2006 schreibt. Den Mehrwert des Internets für die Landwirtschaft sieht er besonders bei der schnellen Vernetzung der Bauern und im einfachen Informationsaustausch.

Welche Gründe waren für Sie ausschlaggebend, vor vier Jahren das Projekt Farmblogger zu starten?

Dazu muss man vielleicht einleitend bemerken, dass ich nicht der Initiator war. Die Idee kam damals von Kai Schleyerbach. Ich war einfach nur zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.
Die Idee ein Landwirtschaftsblog zu gründen fand ich persönlich vor allem aus zwei Gründen interessant: Mich interessierte, wie man sich so einem Nischenthema nähern kann und wie sich die Zusammenarbeit zwischen mehreren Autoren gestaltet. Thematisch passt es gut, da ich mich frisch in die praktische Landwirtschaft begeben hatte und einen Fundus an neuen Themen vor mir sah, die sich fürs Blog eigneten. Was allerdings ein Trugschluss war, wie ich später leider feststellen musste.

Vor einem Monat haben Sie AgrarBlogs.net gestartet. Was steckt dahinter für eine Idee?

Zunächst möchte ich so etwas wie das Genre der Agrarblogs etablieren. Dafür halte ich aktuell eine eigene Plattform für die einfachste Möglichkeit. Es gäbe sicher genug Blogverzeichnisse, deren Nachteil ist jedoch die schiere Masse an Blogs, die sich dort bereits tummeln. Nischenblogs gehen da einfach unter.
Die Zielgruppe sind auf den ersten Blick natürlich die Landwirtschaftsblogger, die sich im Netz tummeln – ohne Agrarblogs auch kein AgrarBlogs.net. Das Verzeichnis richtet sich aber auch an diejenigen, die sich mit dem Gedanken tragen, ebenfalls ein Landwirtschaftsblog zu schreiben.

Es gibt im Moment sieben verlinkte AgrarBlogs. Für so eine große Branche scheint mir das sehr wenig. Wieso fehlt es bei vielen Landwirten an der Lust zum Bloggen? Oder fehlt es einfach an der Vernetzung, und viele Blogs schlummern im Internet?

Da schlummern schon noch einige Blogs, die sich mit der Landwirtschaft beschäftigen, ich bezweifle aber, dass sich davon sehr viele selbst als „AgrarBlogs“ bezeichnen würden. Ich persönlich sehe das relativ nüchtern und vergleiche es mit anderen Branchen. Wie viele Einzelhändler, Taxifahrer und Bestatter bloggen denn, bezogen auf den gesamten Berufsstand?
Doch zurück zu den Landwirten. Viele wissen gar nicht, was mit einem Blog alles anzufangen ist und woher sie die Zeit dafür nehmen sollen. In der Massenwahrnehmung sind Blogs entweder ein Instrument eitler Selbstdarstellung oder ein Marketingwerkzeug. Die wenigsten Landwirte vermarkten selbst, somit fällt PR aus und wer will schon wirklich zugeben, Selbstdarstellung zu betreiben?
Blogs können aber mehr. Sie sind ein Werkzeug des persönlichen Wissensmanagements. Können Themenschwerpunkte im Netz zu setzen, die dann von den klassischen Medien in die Breite getragen werden. Das ist nicht so leicht zu vermitteln und verlangt auch einigen Aufwand, dem der typische Tagesablauf eines Landwirts entgegensteht. Eine Erfahrung, die ich wie schon erwähnt selbst gemacht habe. Je höher die
Arbeitsbelastung in der Landwirtschaft war, umso weniger habe ich über Agrarthemen auf farmblogger.de geschrieben. Das kann gerade am Anfang eines Blogs ausgesprochen demotivierend sein.

Können Sie hauptberuflichen Landwirten dazu raten, einen Blog zu starten? Für welche Betriebe kann sich das lohnen – und wo macht es eher wenig Sinn?

Zunächst würde ich es nicht vom Betrieb abhängig machen. Ob und wie es sich für den Betrieb lohnt hängt von vielen Faktoren ab und wirkt sich u.U. erst nach Jahren aus. Auf der Hand liegt sicher, dass Direktvermarkter am ehesten einen Nutzen hätten. Aus meiner Erfahrung heraus würde ich da aber nicht isoliert zu Blogs raten sondern als Teil einer komplexeren Kommunikationsstrategie betrachten.
Für mich sind Blogs sehr persönliche Werkzeuge. Dazu gehört eine gewisse Leidenschaft fürs Schreiben, aber auch eine gehörige Portion Exhibitionismus oder Mut, ganz wie man es nennen möchte. Was ich mir z.B. sehr gut vorstellen könnte, ist ein Landwirt, der sein Blog als Notizbuch verwendet. Es fasziniert mich immer wieder, wenn Bauern ihre alten und abgenutzten Kladden aus der Tasche ziehen, in denen sie
feinsäuberlich das Wetter der letzten Jahrzehnte, alle möglichen Maschineneinstellungen, Dosierungsverhältnisse und was nicht noch alles aufgezeichnet haben. Darin steckt jede Menge Wissen, wovon andere auch profitieren könnten. Leider sind die meisten Blogsysteme so viel schlechter zu bedienen als Notizbücher.

Sie verdienen Ihr Geld nicht hauptberuflich mit der Landwirtschaft. Was hat Sie dazu bewogen, sich so intensiv mit dem Agrarbereich zu beschäftigen?

Zunächst die gleiche Leidenschaft, die ich mit vielen Kindern teile: Traktoren. In meiner Kindheit gab es noch keine agrartechniksammelnden Zahnärzte in den Vororten. Wollte man mal Trekker fahren, musste man auf einem Bauernhof. Irgendwann hatte ich kapiert, dass man dort besonders willkommen ist, wenn man bei der Arbeit hilft. Die Strategie hat sich bis heute bewährt.

Wie finden Sie die Themen für die Farmblogger?

Indem ich sie nicht suche. Im Ernst, die Themen liegen rum und warten nur darauf ins Netz gestellt zu werden. Rein vom Arbeitsablauf her sind es in der Regel Nebenprodukte. Die Artikel sind meist das Ergebnis einer Recherche, die für ein anderes Thema oder Projekt notwendig war.
Außerdem gibt es natürlich ein gut geöltes Netzwerk an Bloggern, deren Themen aufgegriffen werden. Hin und wieder kommen per E-Mail Hinweise auf interessante Dinge. Durch die steigende Popularität von Twitter hat sich das Geschehen etwas verlagert. Themen werden von dort aufgegriffen und als Blogartikel vertieft. Umgekehrt verlagert sich Einiges vom Blog in Richtung Twitter. Gerade kurze Artikel, die im wesentlichen nur eine andere Webseite empfehlen sollten, landen dort. Wichtigstes Werkzeug ist und wird aber wohl auch noch einige Zeit der Feedreader sein.

Wie viel Aufwand haben Sie in der Woche etwa mit den beiden Projekten?

Reserviert sind dafür 4 Stunden in der Woche, die werden aber meist nicht ausgeschöpft.

Sie sind auch auf Twitter und in Sozialen Netzwerken aktiv. Was meinen Sie: Wie kann man in der Landwirtschaft das so genannte Web 2.0 nutzen, um bessere Vertriebsergebnisse zu erzielen?

Eine gute Frage, auf die ich keine konkreten Lösungen parat habe. Zunächst sehe ich nur wenig Vertriebsleistung innerhalb der Landwirtschaft. Es ist ein interessantes Phänomen, dass alle vor- und nachgelagerten Branchen scheinbar professioneller aufgestellt sind, als die Landwirtschaft selbst.
In meinen Augen ist das ein strukturelles Problem, das sich erst langsam wandelt. Wir dürfen nicht vergessen, das Ende der CMA ist gerade mal vor einem Jahr besiegelt worden. Sie hatte bis dato die Strategie im Agrarmarketing bestimmt und dazu gehörte auch ein gewisser Alleinvertretungsanspruch. Welche Möglichkeiten ein einzelner Landwirt hat und wo es vielleicht doch besser ist, sich in Gruppen zu organisieren, muss erst gelernt werden. In dem Prozess sehe ich aber ein großes Potential für Web-2.0-Werkzeuge, da sie die Vernetzung und den Informationsaustausch zwischen den Landwirten vereinfachen können und sie sich vielleicht auch von angestammten und mitunter eingestaubten Strukturen lösen. Das kann allerdings nur dann funktionieren, wenn der ländliche Raum beim Netzausbau endlich berücksichtigt wird. Ohne Bandbreite nutzt das tollste Web 2.0 nichts.

Michael Wenzl, Jahrgang 1969, lebt mit Frau und einem Kind in Schwabmünchen, einer Kleinstadt südlich von Augsburg. Nach dem Informatikstudium hat er zunächst einige Rechenzentren unsicher gemacht und sich dann nach dem Ende der dot.com Blase als IT Berater und Autor selbständig gemacht. 2004 hatte er das Leben in der Stadt entgültig satt und zog aufs Land. Er schreibt für farmblogger.de und hat die Seite agrarblogs.net ins Leben gerufen.

In unserer Interview Reihe haben wir bereits mit dem Imker Marc-Wilhelm Kohfink , dem Winzer Harald Steffens und dem Rhönwirt Jürgen Krenzer gesprochen.

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