Was Nonnen und Mönche den Agrarunternehmen voraus haben
Klöster sind für viele Unbeteiligte von einem ähnlichen Mythos wie die Landwirtschaft umgeben. Naturbelassenheit, körperliche Arbeit und Authentizität wird mit beiden Bereichen verbunden. Nonnen und Mönche haben zudem die Aura des Geheimnisvollen und Heilsamen. So, wie Landwirtschaftsbetriebe beginnen, diese positiven Attribute für die eigene Vermarktung zu nutzen, sind Klöster schon länger in die Marktwirtschaft eingestiegen. Von den Vermarktungsstrategien der Orden können sich auch Agrarunternehmen etwas abschauen. Oder zumindest mit den Verkaufsstellen der Klöster kooperieren.
Ein Beispiel für erfolgreiches Kloster-Marketing ist Andechs in Bayern. Dort fing alles – ganz einem weit verbreiteten Klischee vom Leben hinter Klostermauern folgend – mit dem eigenen Bier an. Das Doppelbock der Andechser Brauerei findet man inzwischen bundesweit in Kneipen und Getränkemärkten. Pater Anselm, vor einigen Jahren der Cellerar und damit so etwas wie der Manager des Klosters, sagte zu der marktwirtschaftlichen Öffnung in einem Interview: Wenn Sie wollen, bin ich ein Unternehmertyp, ganz egal, was ich anpacke.
Heute ist nicht nur das Bier aus dem Kloster bekannt. Es gibt einen Klosterladen, einen Gasthof und ein Bräustübel. Kulturereignisse werden organisiert, andere Lebensmittel aus dem Ort dürfen sich gegen eine Gebühr mit dem Namen des Klosters schmücken. Es gibt in Bayern verschiedene Gasthöfe mit dem Namen „Andechser“. Zu den geistlichen Mitarbeitern kommen 20mal so viele weltliche Angestellte.
Um das traditionelle Bier ist eine Firmengruppe getreten. So, wie es auch einigen Agrarbetrieben gelang, die zum Beispiel aus einer Käserei einen Erlebnisbetrieb gemacht haben. Aus dem, wofür man schon immer bekannt war, hat sich ein ertragreiches Geschäft entwickelt.
Auch aus Adelholz kommt ein klösterliches Produkt mit bundesweiter Bekanntheit. Die Alpenquellen GmbH aus der bayerischen Stadt ist einer der 15 größten Brunnen in Deutschland. Den Grundstein für das Unternehmen mit über 350 Mitarbeitern legte ebenfalls ein Orden.
Grundlage für die florierenden Klosterprodukte liefern vor allem alte Rezepte und Flächen. Immerhin versorgten sich die Orden jahrelang komplett selbst, aus eigener Landwirtschaft und mit eigenen Erzeugnissen. Das Gefühl, die Produkte der Klöster würden auf jahrhundertealten Rezepturen basieren und heute noch genauso naturbelassen hergestellt, macht sie für viele Konsumenten noch attraktiver. Auch wenn das häufig nicht mehr stimmt – das Image zählt. Ein Image, das sich auch alte Höfe in Familienbesitz oder traditionsreiche Agrarbetriebe aufbauen können. Und da die Klöster in ihren Verkaufsstellen neben den eigenen Erzeugnissen auf Produkte aus der Region setzen, bieten sie Landwirten unter Umständen auch eine weitere Absatzmöglichkeit.
Was die Geistlichen den Landwirten allerdings oft voraus haben: Eine jahrhundertealte, ökonomische Tradition. Noch vor den Bauern sorgten die Mönche und Nonnen im Mittelalter für einen wirtschaftlichen Aufschwung in ihrer Umgebung. Aus diesem Geschäftssinn kann man bis heute schöpfen, während Landwirte erst vor einigen Jahren begonnen haben, sich selbst aktiv zu vermarkten.
So sind die Klöster in Europa und Nordamerika heute schon mitten im Kapitalismus angekommen. Es gibt neben Bier, Wasser und Wein auch Kosmetika, Kerzen oder Marmeladen. Verlage und Druckereien sind entstanden, Hotels in Klostermauern, Klösterläden oder Bäckereien. Reisebüros für Klosterreisen und Internet-Shops findet man ebenfalls. In Frankreich gibt es sogar ein Qualitätssiegel, dass die „kontrollierte Klosterherkunft“ bestätigt, unter dem Slogan „Klösterreich“ vermarkten unsere Nachbarn ihre touristische und kulturelle Angebote.
Dabei gibt es jedoch einen gravierenden Unterschied zwischen den Klöstern und normalen, landwirtschaftlichen Unternehmen: Die Gewinne fließen in die pastorale, soziale oder karitative Arbeit der Ordensmitglieder. So finanzieren die Klostermarken Kinder oder Altersheime, Krankenhäuser oder theolgische Bildungseinrichtungen.