Von bloggenden Winzern
Es gibt Fleischer, Gastwirte, Keltereien und sogar Bestatter mit eigenem Weblog. Landwirtschaftliche Betriebe sind dagegen kaum mit eigenen Blogs im Internet zu finden. Eine mit der Landwirtschaft zumindest verwandte Berufsgruppe, die Winzer, sind hingegen gut vertreten. Wir haben einen bloggenden Winzer gefragt, woran das liegt.
Auch für landwirtschaftliche Betriebe gibt es viele Gründe, einen eigenen Blog zu starten:
- Ein Blog bietet auch dem nicht-landwirtschaftlich geprägten Leser Einblicke in den Arbeitsalltag eines landwirtschaftlichen Betriebes. Dies trägt dann sicher auch zu einem besseren Verständnis für die Arbeitsbedingungen der Landwirte bei.
- Wer weiss, wie aufwändig die landwirtschaftliche Produktion ist, lernt auch den Wert landwirtschaftlicher Erzeugnisse mehr zu schätzen.
- Viele Besucher werden Fragen zur Landwirtschaft stellen. Dies macht es für den bloggenden Landwirt leicht, einen Dialog mit seinen Lesern zu führen und so auch für sich neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Wir haben bei Harald Steffens, Winzer und Betreiber des Blogs Bildergeschichten aus dem Weingut Steffens-Kess nachgefragt, warum viele Landwirte diese Chancen nicht nutzen – und wieso er einen Blog betreibt:
Harald, welche Gründe waren für dich ausschlaggebend, deinen Blog zu starten?
Ich wollte unsere Kunden informieren, was der Winzer das Jahr über so macht. Einfach Bericht erstatten. Die Kunden sind teilweise der Ansicht, dass der Winzer im Winter Winterschlaf macht und im Sommer die Reben ohne Zutun des Winzers wachsen. Verwundert stellen die Leser fest, das das Leben eines Winzers sehr vielfältig, arbeitsreich und risikobelastet ist.
Mittlerweile werden meine Berichte kritischer. Vielleicht mein Sprachrohr für Themen, die nicht in der allgemeinen Journalie behandelt werden oder meiner Meinung nach falsch dargestellt werden. Auch die Abhängigkeit gegenüber Journalisten (Gault Millau) kann ich dadurch verringern. Nicht nur Schönwetterschreiben ist angesagt.
Zudem bekomme ich etliche neue Kunden über den Blog und ich bin in das Netzwerk der Weinblogger eingebunden.
Wie viel Aufwand hast du in der Woche etwa mit dem Blog?
Teilweise habe ich ein schönes Bild und der Text fällt mir sofort dazu ein. Bei anderen Themen, insbesondere die, die etwas kritischer oder komplexer sind, brauche ich etwas mehr Zeit. In der Woche geschätzt? Kann ich so direkt nicht sagen, ist aber auch nebensächlich für mich, da das ganze sehr viel Spaß macht und man es als eine Art Hobby betrachten kann. Aber bevor du noch einmal nachfragst: Vielleicht zwei Stunden die Woche im Normalbetrieb, bei Events, bei denen Freunde mitmachen oder gar ein Video gedreht wird, sind es einige Stunden mehr, die aber sehr viel Spaß machen.
Warum glaubst du: Warum sind gerade die Winzer so erfolgreich, sich über Blogs zu vernetzen und auch von Nicht-Winzern gelesen zu werden?
Blogs sind eine moderne Art der Komunikation. Meine Kunden berichten mir immer wieder, das sie meinen Blog lesen. Scheinbar berichte ich dort so ausführlich, dass keine weiteren Fragen von der Kundenseite kommen. Viele Winzerkollegen, auch hier in Reil, lesen ebenfalls mit und geben mir ihre Kommentare, die größtenteils positiv sind.
Wie schätzt du den Einfluss von dir und deinen ebenfalls bloggenden Winzerkollegen auf das Image der Winzer in Deutschland ein?
Leider sind es sehr wenige, die regelmäßig bloggen. Aber ich merke, das man etwas bewegen kann. Man wird zur Kenntnis genommen. Auch die Profis von der schreibenden Zunft lesen mit und haben hier und da Fragen, die ich gerne beantworte.
Was sind nach deiner Erfahrung die grössten Vorteile, die Blogs für Weinbaubetriebe bringen?
Schlicht und einfach Öffentlichkeitsarbeit. Mikromarketing! Aus dem Weingut direkt berichten. Den Verbraucher aufklären, Marketing machen und Wein verkaufen. Es gibt nicht nur Schönwetternachrichten, auch schlechte(-re) Nachrichten, kritische Berichte sollten in einem Blog vertreten sein.
Lassen sich diese Vorteile nach deiner Einschätzung auch für Landwirtschaftsblogs erzielen?
Ich denke, dass das Ganze auch für die Landwirtschaftsblogs gilt. Dort ist zwar der Anteil der direkt vermarktenden Betriebe geringer, aber die Vorteile liegen auf der Hand. Schau dir mal die vielen Kochblogs an: Genial! Nun müssten die Landwirte dem allgemeinen Volk noch erklären, wie Lebensmittel produziert werden! Das wäre doch eine spannende Sache. Die Welt besteht halt nicht nur aus Pommes und Schnitzel und das muß dem Verbraucher näher gebracht werden, inbesondere den Unwissenden.
Welche Tipps hast du für Landwirte, die einen eigenen Blog starten möchten?
Einfach anfangen. Themengebiet grob abgrenzen, den Blog etwas strukturieren und den Willen haben, öfter zu schreiben. Beachten, dass seltene Blogeinträge den Blog auf Dauer langweilig machen und die Leser schwinden. Bei mir waren es Bild und Text, also Bildergeschichten aus dem Weingut Steffens-Keß. Etwas mit einer freien Blogsoftware üben, dann evtl. eine eigene Domain und fertig. Ich poste im Schnitt jede Woche mind. einmal, je nach Themenangebot viel öfter. Ach ja, Bilder finde ich mittlerweile sehr wichtig. Lockert den Blog auf und ein Bild sagt mehr wie tausend Worte. Beim Text kurze Sätze und in wenigen Sätzen die Aussage gemacht, die man machen will. Klappt nicht immer, aber mit etwas Übung wird man besser. Wir sind ja im Hauptberuf Bauern und keine Schreiberlinge. Bitte keine Werbung wie die CMA! Auch kritische Berichte (Politik, Lebensmittelpreise, Vermarktung usw.) soll ein Landwirt schreiben.
Der gelernte Winzer Harald Steffens ist Gründungsmitglied von ECOVIN Bundesverband und des Regionalverbands Mosel.
Seit 1982 betreibt er ökologischen Steillagenweinbau. Dabei wird fast ausschliesslich Riesling angebaut, alle Weine werden trocken ausgebaut. Harald Steffens ist verheiratet und hat 3 Kinder. Seinen Blog betreibt er seit 2003.
Naja zur Not kann sie sich ihm ja nett trinken.
*lol*