Teure Hilfe
Gerade in der Winterzeit rutschen Fahrzeuge oft in eine Schneewehe und kommen von allein weder vorwärts noch rückwärts. Landwirte werden gerne um Hilfe gebeten, um das festgefahrene Fahrzeug mit ihrer Zugmaschine abzuschleppen. Doch das kann teuer werden.
Aus Erfahrung weiß ich, dass sich Mitarbeiter von Landwirtschaftsbetrieben auch gegenseitig beim Abschleppen defekter Landmaschinen helfen. Es ist zwar nett, so viel Hilfsbereitschaft zu zeigen und einen Liegengebliebenen abzuschleppen. Aber Vorsicht: Abschleppen sollte man den Profis überlassen – denn unter Umständen kann aus der Hilfe schnell großer Schaden entstehen.
Bei Unfällen ist Kostenteilung möglich
Haben Sie sich schon einmal Gedanken darüber gemacht, wer für Schäden beim Abschleppen aufkommt? Angenommen der Abschleppende reißt Teile des abgeschleppten Fahrzeugs ab, weil er zu schnell anfährt. Oder der Abgeschleppte reagiert zu spät und fährt dem Helfer auf.
Regelmäßig müssen sich auch Gerichte mit solchen Fällen auseinandersetzen. In Hamm wurde zum Beispiel folgender Fall verhandelt: Auf einer abschüssigen Straße wurde ein Fahrzeug abgeschleppt. Das hintere Fahrzeug stieß dabei auf das vordere. Der Helfer wollte den Schaden in Höhe von knapp 8.800 € ersetzt haben. Das Gericht sprach ihm aber nur die Hälfte des Betrags zu.
Keinem der Fahrer lasse sich ein besonderer Schuldvorwurf machen, so die Richter. Denn weder sei einer von ihnen zu langsam oder zu schnell gefahren, noch habe der andere zu spät gebremst. Daher sei eine Haftungsteilung „sachgerecht“ (OLG Hamm – 9 U 73 / 08- Entscheidung vom 09.09.2008).
Wie kamen die Richter zu dieser Entscheidung? Bei einem Abschleppvorgang befinden sich beide beteiligten Fahrzeuge im Sinne des Straßenverkehrsrechts nach wie vor „in Betrieb“. Beide Fahrzeuge tragen also grundsätzlich die gleiche Betriebsgefahr, da sie beide weiterhin am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen. Kann nun bei einem Unfall kein eindeutiges Verschulden zugeordnet werden (zum Beispiel weil ein Fahrer nicht gebremst hat), muss der entstandene Schaden hälftig geteilt werden. Und: Die Tatsache, dass der eine Fahrer den anderen Fahrer „beauftragt“ hat, ändert diese Beurteilung nicht.
Teurere Versicherung
Grundsätzlich kann man festhalten, dass der Haften muss, der den Unfall verschuldet. Bei ungeklärten Schuldfragen kommt es aber in der Regel zu einer Haftungsteilung. Dann wird schnell aus einer Geste der Hilfsbereitschaft ein Sachschaden in vier- oder fünfstelliger Höhe. Deshalb ist es professionellen Winterdiensten oft untersagt, anderen Fahrzeugen zu helfen.
Wenn es, wie im oben beschriebenen Beispiel, zu einer Haftungsteilung kommt, wird auch die Kfz-Haftpflichtversicherung des Abschleppenden, der es eigentlich nur gut gemeint hat, belastet. Das kann zu Prämienerhöhungen führen.
Wie halten Sie es mit Ihren (Dienst-) Fahrzeugen und der Winterhilfe? Haben Sie einen ähnlichen Fall erlebt?
Dann stellt sich aber im Nachhinein sicher die Frage, ob der Zeuge tatsächlich belastbar ist und man sich auf diesen verlassen kann, wenn der Abgeschleppte tatsächlich Geld für einen entstandenen Schaden sehen will.
Aber noch schlimmer: Stellen wir uns doch einmal vor, es passiert ein schwerer Unfall durch das Schleppen (Beispiel:Beide Fahrzeuge kommen von der Straße ab und überschlagen sich.) und es kommt zu einem Personenschaden.
Personenschäden verursachen regelmäßig sehr hohe Kosten (Krankenhaus, Behandlungskosten, Krankentransport). Krankenkassen sind verpflichtet, sich diese Kosten in Regressverfahren von evtl. haftenden Unfallbeteiligten zurück zu holen. Ich bezweifle, dass ein mündlich abgesprochener “Haftungsausschluss” zwischen Helfer und Geschlepptem dann vor einem Gericht Bestand hätte.
Selbst wenn dem Abschleppenden keinerlei Verschulden nachgewiesen werden kann, so haftet dieser immer noch im Rahmen der Gefährdungshaftung für sein Fahrzeug laut Straßenverkehrsgesetz.
Ich persönlich jedenfalls würde immer Hilfe anbieten, gerade jetzt in der kalten Jahreszeit. Denn es gibt ja auch Menschen, die nicht ständig ein Handy am Mann (oder der Frau) haben und selbst keinen Pannendienst verständigen können. Aber das Abschleppen an sich würde ich tatsächlich einem Profi überlassen.