Neonicotinoide: Hat die EU zu überstürzt gehandelt?
Die EU hat beschlossen, Neonicotinoide zu verbieten. Wissenschaftler und der DBV sehen derzeit wenig Alternativen.
Ein EU-Ausschuss hat vergangene Woche in Brüssel mehrheitlich beschlossen, dass die sogenannten Neonicotinoide teilweise verboten werden. Die Wirkstoffe Clothianidin, Thiamethoxam und Imidacloprid dürfen nicht mehr im Freien angewendet werden, nur noch in Gewächshäusern. Die Insektizide töten nicht nur Schädlinge, laut Studien und Naturschutz-Experten sind sie auch für Bienen schädlich.
“Die Gesundheit der Bienen bleibt für mich von größter Bedeutung, weil sie Artenvielfalt, Lebensmittelproduktion und Umwelt betrifft“, so EU-Gesundheitskommissar Vytenis Andriukaitis. Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner begrüßt die Entscheidung: “Heute ist ein guter Tag für den Schutz der Bienen in Deutschland und in Europa.“
Wissenschaftler: Schnell nach Alternativen für Neonicotinoide suchen
“Landwirte haben in der Vergangenheit zu sehr auf die hohe Wirksamkeit der Insektizide gesetzt und diese zu häufig verwendet”, sagte Dr. Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung an der Universität Göttingen. Das habe mittlerweile dazu geführt, dass vielfach Insekten gegen die Mittel resistent geworden sind. Er lenkt ein: “Die weggefallenen Neonicotinoide allein durch häufigere Spritzungen anderer Wirkstoffe zu ersetzen, ist deshalb keine langfristige Lösung, weil es die weitere Resistenzbildung fördert. Wenn die Landwirte nicht mit leeren Händen dastehen wollen, müssen sie sich schnellstens wieder mit Ackerbauverfahren befassen, die den Insektenbefall mindern.” Möglichkeiten sieht der Wissenschaftler bei den Fruchtfolgen, in angepassten Saatterminen, Randstreifen und mechanischen Verfahren. Das alles wirke deutlich schlechter als hoch wirksame Insektizide. Aber gegen resistente Insekten blieben kaum andere Möglichkeiten übrig, so Steinmann.
Bauernverband: Ohne Pflanzenschutzmittel geht es nicht
Der Deutsche Bauernverband (DBV) hingegen sieht derzeit keine Alternativen. „Wir haben immer erklärt, dass für uns der Maßstab für eine Zulassung von Pflanzenschutzmitteln eine fundierte wissenschaftliche Bewertung ist”, sagte DBV-Präsident Joachim Rukwied. Wenn wir jetzt eine effektive Wirkstoffgruppe verlieren, sei es eine echte Herausforderung, Alternativen zu entwickeln und neue Produkte schnell zur Zulassung zu bringen, so der Bauernpräsident. “Um Qualität und Erträge abzusichern, brauchen wir Pflanzenschutzmittel. Ohne die geht es nicht, weder in der ökologischen Landwirtschaft noch in der konventionellen.“