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Ey Alter, ich hab teures Fleisch

Mein Haus, mein Auto, mein Boot – der zur geflügelten Feststellung gewordene Werbeslogan einer großen Bankengruppe. Was wäre, wenn es heißen würde: „Mein Haus, mein Auto, mein Schnitzel“? Bieten Banken bald Verbraucherkredite an, damit man regelmäßig Fleisch essen kann, avanciert es tatsächlich zum Luxusgut? Über diese Entwicklung diskutierte der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) vergangene Woche im Rahmen des Zukunftsdialogs in Berlin.

Die Teilnehmer aus Politik, Wirtschaft, Medien und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kamen zu dem Ergebnis, dass die Gesellschaft einem Zielkonflikt unterliege. Einerseits solle Fleisch als hochwertiges Lebensmittel für jeden bezahlbar sein, andererseits fühlten sich immer mehr Menschen einer in Hinblick auf Tier- und Umweltschutz nachhaltigen Lebensweise verpflichtet – die jedoch höhere Preise erfordere.

Tatsächlich sehe es die Branche schon lange als ihr Selbstverständnis an, auf kritische Stimmen aktiv einzugehen und einen gemeinsamen Dialog anzuregen, wie ZDG-Vizepräsident Bernd Kalvelage in seiner Begrüßung betonte: „Wir möchten neue Wege gehen, Fragen kontrovers diskutieren und unserer Verantwortung gerecht werden. Dafür haben wir den Zukunftsdialog ins Leben gerufen.“

„Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist“
Food-Trendforscherin Hanni Rützler spannte in ihrem Impulsvortrag den Bogen von der historischen Entwicklung des Fleischkonsums zu den Alternativen der Zukunft, wie etwa in-vitro-Fleisch, künstlich hergestelltes Fleisch. Zur Zeit realistischer ist allerdings der Trend, den Rützler beschrieb, nicht mehr täglich Fleisch zu essen. Ein Prototyp sei der sogenannte „Flexitarier“. Das sind Menschen, die sich meistens vegetarisch ernähren, sich aber ab und an ein schönes Stück Fleisch gönnen, das muss aber Bio und von Topqualität sein.

Auf dem Podium wurden die Trends, die Hanni Rützler darbrachte, analysiert und auf die reelle Chancen in der Wirtschaft überprüft. Dabei kamen Aspekte, wie Regulierungsfrage, Tier- und Umweltschutz sowie soziale Verantwortung hinzu. So sprach sich der Journalist Dr. Hugo Müller-Vogg dafür aus, dass der Verbraucher seine Macht auf jeden Fall behalten müsse. Er argumentierte entschieden gegen eine Regulierung des Fleischkonsums durch die Politik. „Wenn wir die Preise erhöhen, könnten sich Menschen mit niedrigerem Einkommen das Fleisch nicht mehr leisten“, so Müller-Vogg. Dies berge auch eine soziale Problematik.

Von dieser Problematik konnte besonders Sabine Werth aus ihrer Erfahrung bei der Berliner Tafel berichten. Sie stellte fest, dass die Gesellschaft das Gefühl vermittele, dass sich Zugehörigkeit über den Fleischkonsum definiere. „Sag mir, was du isst, und ich sage dir, wer du bist“. „Wir brauchen ein verändertes Bewusstsein gegenüber unserer Ernährung.“, so die engagierte Berlinerin. Teile der Gesellschaft vom Fleischkonsum einfach auszuschließen, sei dagegen nicht der richtige Weg.

Schließen sich billiges Fleisch und Tierwohl aus?
Rainer Wendt, Geflügelhalter und Vizepräsident des Zentralverbands der Deutschen Geflügelwirtschaft, konnte aus dem Publikum Gegenteiliges berichten. Er sehe jeden Tag in seinen Ställen, dass die konventionelle Geflügelhaltung tiergerecht sei. Die Fortschritte der Branche seien gerade im Bereich Tierwohl beachtenswert. Zoologin und Autorin Dr. Tanja Busse hingegen sieht momentan keinen Grund, dass Landwirte stolz auf ihre Arbeit sein können und schlug alternative Absatzmärkte, wie Mensen und Schulen vor.

Der Dialog, der auch ausserhalb von entsprechenden Veranstaltungen beibehalten werden soll, zeigt, dass die Antwort auf die Frage, ob Fleisch immer mehr zum Luxusgut wird, noch lange nicht, vielleicht sogar nie beantwortet werden kann. Im Prinzip muss jeder für sich entscheiden, wie er mit Qualität und Verantwortung umgeht. „Wenn Verbraucher an der Theke stehen und einkaufen, wollen sie ein gutes Gefühl dabei haben. Und dafür sollten die Menschen, der Staat und die Wirtschaft gemeinsam Sorge tragen.“, so Bernd Kalvelage abschließend.

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