PflanzenbauRecht & Steuer

Dieter Bockey, UFOP: „Europäische Kommission blockiert Deutschlands Rapsbauern.“

Innerhalb der Europäischen Union herrschen rege Diskussionen um den Stellenwert von Biokraftstoffen aus Raps und anderen Ackerfrüchten, wie Getreide, als erneuerbare Energiequelle. Das EU-Parlament diskutierte kürzlich den Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung der gesetzlichen Grundlagen zur Förderung dieser Biokraftstoffe. Die Europäische Kommission ist der Meinung, dass Raps aus Deutschland bzw. der EU dem Regenwald und somit dem globalen Klima schaden würde. Der Grund laut Kommission: Das durch die Biokraftstoffnutzung am Markt fehlende Rapsöl würde dadurch ersetzt, indem Palmölplantagen, zum Beispiel in Indonesien, auf Urwaldflächen neu angelegt würden.

Diskutiert wurde deshalb intensiv die Frage, ob und wie dieser indirekte Landnutzungseffekt bei der Treibhausgasberechnung von Biokraftstoffen berücksichtigt werden muss. Die „Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen“ (UFOP) wirft der Europäischen Kommission nun vor, dass der bestehende wissenschaftliche Kenntnisstand als Begründung für eine Gesetzesänderung, die spätestens 2020 das Auslaufen der Biokraftstoffproduktion aus Raps zur Folge hätte, nicht ausreicht. gruuna.com sprach mit Dieter Bockey, Fachreferent bei der UFOP.

gruuna.com: Warum sollen die deutschen Rapsbauern für Urwaldrodungen mit verantwortlich gemacht werden?
Dieter Bockey: Die Europäische Kommission hat vorgeschlagen, dass bei der Berechnung der Treibhausgasbilanz auch Treibhausgas dem Biodiesel aus Raps angerechnet werden müsse, da das Gas durch sogenannte „indirekte Landnutzungsänderungen“ (iLUC) entstehen würde. Dieser Maluswert wird als iLUC-Faktor bezeichnet und ist bei Biodiesel sehr hoch, weil, so die Annahme der Kommission, Urwald auf Torfmoorflächen in Indonesien gerodet würde, wenn hierzulande der Rohstoffbedarf nach Rapsöl für die Biodieselherstellung zunimmt. Diese rohstoffspezifischen Treibhausgasmaluswerte würden den Rohstoff Raps praktisch über Nacht uninteressant für die Biokraftstoffproduktion machen. Weniger betroffen wäre Bioethanol aus Getreide oder Zuckerrüben. Die Kommission schert quasi alle über einen Kamm.

In den Medien liest man immer wieder, dass der Hoffnungsträger Raps gar so nicht umweltverträglich wäre. Sieht man das richtig, dass der Rapsanbau in Deutschland mit dem Regenwald-Problem gar nichts zu tun hat?
Diese Frage schließt zwei Aspekte ein. Einerseits wird Raps mit hoher Düngungs- und Pflanzenschutzintensität in Verbindung gebracht. Ursache ist die aus unserer Sicht erfreuliche Anbauentwicklung in den letzten Jahren. Der blühende Raps dominiert das frühjährliche Landschaftsbild auf heute ca. 1,4 bis 1,5 Millionen Hektar. Er hat aber einen hohen Vorfruchtwert und lockert die getreidereichen Fruchtfolgen auf. Als Blattfrucht reichert er den Humus im Boden an. Überschüssiger Stickstoff dient der Nachfolgefrucht als Nährstoffgrundlage, bei verringerter Düngerintensität werden höhere Weizenerträge erzielt.

Und der zweite Faktor?
Da wollte ich eben einhaken. Heute werden in Deutschland auf etwa 750.000 Hektar Raps für die Biodieselproduktion angebaut. Das Rapsöl für die Biodieselherstellung verringert aber die Versorgungslage im Nahrungsmittelmarkt. Für den Marktausgleich müssten zum Beispiel in Indonesien auf gerodeten Urwaldflächen Palmölplantagen angelegt werden. Eine Ursache-Wirkungsbeziehung zwischen der Biodiesel- bzw. Rapsproduktion und Urwaldrodungen in Indonesien konnte und kann nicht wissenschaftlich nachgewiesen werden. Der aktuelle Rohstoffbedarf für die energetische Nutzung von Palmöl beträgt übrigens zurzeit nur etwa 5 Prozent für die stoffliche Nutzung (Oleochemie), dagegen 21 Prozent bei einer weltweiten Palmölproduktion von 53 Mio. Tonnen.

Das heißt, Deutschland könnte den Eigenbedarf selbst gar nicht stemmen?
Genau. Und das ist auch die Hypothese der indirekten Landnutzung, auf die sich die Europäische Kommission stützt. Diese Ursache-Wirkunsgbeziehung ist unserer Meinung nach (UFOP, Anm. d. Red.) nicht wissenschaftlich nachweisbar, aber eines der zentralen Themen im Europäischen Parlament. Die EU hat hier der Kommission klar den Auftrag für eine fundierte wissenschaftliche Analyse erteilt.

Steckt hinter den Hypothesen etwa eine Lobby?
Das Thema „indirekte Landnutzungsänderung“ wird von den Nichtregierungsorganisationen medial gegenüber der Politik und vor allem der Öffentlichkeit vorangetrieben. Hier werden verschiedene Themen miteinander vermengt, einschließlich der Frage, ob die Nutzung dieser Rohstoffe für die Biokraftstoffherstellung auch ethisch vertretbar sei – gemeint ist die medial getragene Kampagne zum Thema „Tank oder Teller“. Wir sind der Meinung, es geht beides. Raps besteht ungefähr zu 40 Prozent aus Öl, die andere Komponente ist mit etwa 60 Prozent hochwertiges Eiweißfuttermittel. Allein die bei der Biodieselproduktion anfallende Rapsschrotmenge entspricht einer Million Hektar Sojaanbau. Diese Fläche könnte mit Nahrungsmitteln bebaut werden und widerlegt auch den iLUC-Effekt.

Kann es an mangelnder Aufklärungsarbeit vonseiten der Politik liegen?
Die Zusammenhänge sind sehr komplex. Das Europäische Parlament hat deshalb zurecht die Kommission angemahnt, weitere wissenschaftliche Untersuchungen in Auftrag zu geben und zugleich gefordert die betroffenen Verbände mit einzubeziehen. Das Thema ist bisher nicht mit der notwendigen wissenschaftlichen Intensität bearbeitet worden. Die UFOP fordert, im Sinne eines möglichst zeitnahen Urwaldschutzes, dass die Produktion von Biokraftstoffen nicht über die Einführung von iLUC-Faktoren aus dem Markt gedrängt werden sollte, sondern im Wege bilateraler Verhandlungen zwischen der EU und den betroffenen Ländern der Urwaldschutz verbindlich gesetzlich geregelt werden muss.

Wie gedenken Sie als Vertreter der ölerzeugenden Branche nun vorzugehen?
Die UFOP hat ihre Öffentlichkeitsarbeit bei diesem Thema intensiviert. Mit Informationsbroschüren und einer entsprechenden thematischen Erweiterung unserer Homepage forcieren wir die Aufklärung der Öffentlichkeit und der Politik. Überdies engagieren wir uns im Rahmen von Forschungsvorhaben und in der Förderung von Netzwerken, um schließlich der damit einhergehenden „Tank oder Teller“-Debatte zu begegnen. iLUC ist ein grundsätzliches „Phänomen“. Die Kommission sagt nicht, wie eine „Abgrenzung“, beispielsweise zur Nahrungsmittelproduktion, aussehen soll. Beispiel Ökolandbau: Wenn durch Bioumstellung nur halb so hohe Erträge im Vergleich zum konventionellen Anbau erzielt werden, werden hierdurch zur Deckung der Marktversorgung ebenfalls zusätzliche Flächen benötigt. Das Thema iLUC führt also ohne entsprechende Differenzierung in ein Argumentationsdilemma. Genau hier halten wir der Europäischen Kommission den „Spiegel“ vor.

Herr Bockey, vielen Dank für das Gespräch.
Ich habe zu danken.

Interview: Michi Jo Standl

Alle Infos zum Thema: www.ufop.de

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