Forst

Die Birne aus der Erde

Sie zählt zu den vielseitigsten Nutzpflanzen, die ein Landwirt anbauen kann und ist dabei sehr genügsam und pflegeleicht. Und doch gibt es nur eine Handvoll Landwirte wie Hans-Heinrich Grünhagen, die sich dem Anbau der enorm unterschätzen Topinambur-Pflanze, auch Erdbirne genannt, widmen.

Die Topinambur ist am ehesten mit einer Kartfoffel vergleichbar, auch wenn die Pflanze über der Erde eher einer Sonnenblume gleicht. Die unterirdische Knolle aber schmeckt Menschen und Tieren gleichermaßen, kann dank ihrer natürlichen Süße als Zuckeralternative etwa für Diabetiker eingesetzt werden, eignet sich prima zum Schnapsbrennen, taugt als Energiepflanze und macht sich sogar als Stabilisierung und hochwirksamer wärmedämmender Zuschlag in Beton ausgezeichnet.

Doch die Topinambur wird in Deutschland als Nutzpflanze völlig unterschätzt. Ein Lied davon singen kann Hans-Heinrich Grünhagen, der auf seinem Hof im Brandenburger Wernikow seit rund 15 Jahren dem Tausendsassa-Gewächs 40 Hektar Platz einräumt: „Die Topinambur wird einfach nicht wahrgenommen, sie zählt nicht zum Mainstream und ist in Deutschland in Vergessenheit geraten. Man hat einfach keine richtige Verwendung dafür. Es ist schade, dass die Frucht verschwindet.“ Dabei ist die Pflanze sehr genügsam und pflegeleicht, so Grünhagen; sie ist winterhart, braucht ausreichend Wasser aber wenig Dünger, ist mangels züchterischer Bearbeitung in der Vergangenheit sehr krankheitsresistent und somit ökologisch anbaubar. Das Ausbringen und Ernten geschieht mit der gleichen Technik wie bei Kartoffeln.

In manchen Jahren muss Grünhagen seine gesamte Topinambur-Ernte mangels Abnehmern wieder unterpflügen. Das klingt bitter, aber Grünhagen treibt mehr an, als nur der Gewinn: „Vom Finanziellen her lohnt sich das nicht, das ist nur ein Nebenbereich. Da steckt Leidenschaft dahinter, mir macht das Spaß und die Topinambur interessiert mich, deswegen machen wir das.“ Wenn alle zwei bis drei Jahre eine Ernte verkauft wird, dann sei das genug, um mit den Topinambur über die Runden zu kommen, sagt er.

Feste Abnehmer und Vertragspartner gibt es nicht. Der Brandenburger beliefert mal Safthersteller, mal geht die Ernte als Saatgut nach Österreich und gehäckselte Topinambur-Stängel kann er Futtermittel absetzen. An Direktmarketing wie in anderen Branchen ist nicht zu denken.

Um der Topinambur mehr von der verdienten Aufmerksamkeit zu verschaffen, haben Grünhagen und andere Topinambur-Anbauer einen Verein gegründet. Mit einem Partnerbetrieb in Mecklenburg wird er künftig zudem dank wissenschaftlicher Unterstützung versuchen, mit der vielseitigen Erdbirne im Futtermittel-Markt Fuß zu fassen.

Zumindest ein paar Menschen in Deutschland wissen inzwischen etwas mit dem Namen Topinambur anzufangen: die Wernikower. Schauten sie am Anfang noch verblüfft, wenn Landwirt Grünhagen mitten im März mit dem Kartoffelroder über den Acker fuhr, so sprach sich mit der Zeit herum, dass seine Arbeit nicht dem Erdapfel, sondern der Erdbirne gilt.

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