Agrarvisionen: Die Welt hat Hunger
Die Landwirtschaft ist schon immer verantwortlich für die Versorgung der Weltbevölkerung. Die Betonung liegt auf „immer schon”. Doch mit der Industrialisierung Anfang des vorigen Jahrhunderts begannen Probleme, die damals noch niemand absehen konnte. Die Weltbevölkerung und somit auch die Ballungszentren wuchsen rapide und die landwirtschaftlichen Nutzflächen wurden im Laufe der Zeit immer kleiner. Erst in den 1990er Jahren fing man an, über diesen unaufhaltbaren Zustand nachzudenken.
Hoch statt breit
Der US-amerikanische Wissenschaftler Dickson Despommier entwickelte zusammen mit Studenten die ersten Gedanken zur vertikalen Landwirtschaft. Die Idee war, 50.000 Bewohner Manhattans mit 5,26 Hektar Nutzpflanzen auf Dachgärten zu versorgen. Seither ist der Begriff „Vertical Farming”, so die englische Bezeichnung, in aller Fachleute Munde. Die Ernährung der steigenden Weltbevölkerung sei dabei das Ziel. Schätzungen zufolge werden im Jahr 2050 80 Prozent dieser in Städten leben. Vorteile dieser futuristischen Art der Landwirtschaft wären, dass unter anderem ganzjährige Ernten und saisonunabhängige Pflanzenproduktionen möglich wären. Man könnte wetterunabhängige Hydrokulturen aufbauen. Vor allem in Gegenden, die dürregefährdet sind, könnte man so kontrolliert bewässern. Wissenschaftler prognostizieren, dass dies weltweit je nach Pflanzenart vier- bis sechsmal höhere Erträge brächte als mit der konventionellen Landwirtschaft. Großprojekte in Südkorea, den Vereinigten Arabischen Emiraten, den USA sowie in China und in Indien sind geplant.
Essen aus dem Wald
Eine weitere Methode, die Welt in Zukunft zu ernähren, wäre die sogenannte Agroforstwirtschaft. Dabei sollen sowohl mehrjährige Hölzer, also zum Beispiel Fruchtbäume oder Palmen, als auch einjährige Nutzpflanzen in ein und derselben Fläche angebaut werden. Es wird sogar daran gedacht, auch noch Tiere in diese Flächen zu integrieren. In Spanien gibt es bereits Ansätze, die Korkeichen, Schweinezucht und Feldbau zu kombinieren. Grundsätzlich wäre diese Art der Landwirtschaft am besten in extrem waldreichen Teilen der Erde, zum Beispiel in den Regenwäldern, umsetzbar. Ein Forschungsprojekt der EU beschäftigt sich bereits seit einigen Jahren mit dieser Agrarform. Vorteile wären unter anderem, dass die Bäume die Bodenerosion des Feldes verringern, aber auch Sturm abhalten würden. Auch Kompost wäre in Form von abfallenden Blättern bereits vorhanden. Die Wurzeln der Bäume würden bei Trockenheit Wasser aus tieferen Erdschichten nach oben pumpen und so die Nutzpflanzen auf natürliche Weise bewässern. Auch die Tiere hätten bei Hitze durch die schattenspendenden Baumkronen einen größeren Komfort.
Bei beiden Möglichkeiten der Landwirtschaft der Zukunft erkennt man nur Vorteile. Die Ökosysteme sind allerdings sehr umfangreich und sensibel, was den Wissenschaftlern in den nächsten Jahren noch sehr viel Raum für Herausforderungen bieten wird.