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„Agraraktivistin“ Kathrin Seeger: „Nichts ist gespaltener als die Landwirtschaft“

Interview: Michi Jo Standl

Das derzeit in Deutschland strikt geltende Image der Landwirtschaft und die globale Kriminalisierung der ganzen Branche, hat eine Hand voll Betriebsinhaber dazu bewegt, die Korrektur der desaströsen Meinungen über der Landwirtschaft selbst in die Hand genommen. Sie bezeichnen sich selbst als Agrar-Guerillas. Auf der Internetseite fragdenlandwirt.de und im Sozialen Netzwerk Facebook stellen sie sich Fragen von interessierten Verbrauchern und der Diskussion mit Kritikern. Wir sprachen mit Kathrin Seeger, einer der Administratorinnen, darüber, was die Landwirte zu dem Schritt bewegt hat, wie wichtig Kommunikation ist und über die Angst vor Konsumenten. Die Rosenheimerin betreibt mit ihrem Mann Peter eine Schweinezucht in Hessen. Sie sagt: „Die Gesellschaft hat den Punkt erreicht, dass wir den Tierschutz nicht mehr für die Tiere haben, sondern für das Gewissen der Menschen.“ Und das sei rein mediengemacht.

gruuna.com: Warum habt ihr die Kommunikation mit den Verbrauchern selbst in die Hand genommen, was wollt ihr erreichen?
Kathrin Seeger: Wir machen nicht Werbung für die Produkte des Einzelnen, wir wollen mit den verunsicherten Verbrauchern über die Landwirtschaft allgemein sprechen und ihnen erklären, wie das heute in einem modernen Agrarbetrieb abläuft und dass das nichts Schlimmes ist.

Aber die Landwirtschaftsverbände arbeiten doch ohnehin am Image der Branche …
Das Problem ist, dass für die Medien die Landwirtschaftsverbände, egal welcher, erstmal die „bösen Lobbyisten“ sind und die NGOs (Non Governmental Organisation, dt. Nichtregierungsorganisation, z. B. PETA, Anm. d. Red.) die „Guten“. Ob die Aktivisten der Organisationen Fachwissen haben oder nicht, spielt für die Medien erstmal keine Rolle. Jeder, der schon einmal einen Frosch über die Straße getragen hat, habe mehr Fachwissen wie ein Landwirt, so die gängige Meinung.

Die Verbände haben also wenig Überzeugungskraft?
Sagen wir mal so, sie haben die neuen Medien noch nicht wirklich für sich entdeckt. Da sind die Tierrechtler noch im Vorteil, die haben Facebook und so weiter schon sehr viel früher für ihre Interessen genutzt. Dann kommt noch dazu, dass sich die Verbände wie der Bauernverband eher um Politik kümmern. Aber da fällt wiederum auf, dass man bei runden Tischen zum Thema „Tierwohl“ beispielsweise zehn Vertreter von NGOs findet, aber vielleicht nur einen aus der Landwirtschaft.

Wo siehst du die Ursache, dass sich die Landwirtschaft so schwer tut, ihre Interessen zu kommunizieren?
Nichts ist gespaltener als die Landwirtschaft, das ist schon auch unser Problem: Groß gegen Klein, West gegen Ost, Bio gegen konventionell. Wir haben den Anspruch an uns selbst, alle zu vertreten. Das ist aber ein Spagat. Die Landwirte müssen einfach alle näher zusammenrücken.

Verbraucher können mit euch auch in Kontakt treten, wenn sie einen Betrieb besichtigen wollen?
Ja, auf das wollen wir ja hinaus. Die sollen sich „live“ angucken, wie die Arbeit abläuft. Das Problem ist, dass es oft von Konsumenten nicht angenommen wird, Betriebe zu besichtigen, weil sie ja aus dem Fernsehen wissen, wie es aussieht. Doch die Medien vermitteln das falsch. Nichts desto trotz wollen wir die Kolleginnen und die Kollegen ermutigen, auch ihre Betriebe vorzustellen.

Verschließen die Menschen die Augen vor der Realität?
Ich glaube schon teilweise. Wenn wer fragt: „Seid ihr ein richtiger Bauer? Mit Kühen, Schweinen, Hühnern und so?“, dann müssen wir den Leuten klar machen, dass Landwirte heute Experten auf einem Gebiet sind. Ich zum Beispiel traue mir nicht zu, mit meinem Wissen Kühe oder Hühner zu züchten. Wir haben uns auf Schweine spezialisiert und da kennen wir uns aus. Da versuchen wir tagtäglich auf dem Laufenden zu bleiben und das Beste für unsere Tiere rauszuholen. Ich nehme immer gerne den Vergleich: Wenn man am Bein verletzt ist, geht man ja auch nicht zum Augenarzt. Viele denken dann darüber nach und geben mir recht.

Schafft ihr die ganze Social Media-Arbeit noch neben der normalen Arbeit?
Bei mir zum Beispiel geht das ganz gut nebenher, da ich im Betrieb ohnehin das Büro mache. Man muss das als wichtigen Teil der Arbeit sehen.

Was gibst du anderen Landwirten mit auf den Weg?
Traut euch, über die sozialen Netzwerke mit den Verbrauchern zu kommunizieren, es kann nichts passieren. Ganz wichtig ist auch, mit anderen Landwirten „Networking“ zu betreiben, dann ist man nie alleine. Wenn negative Kommentare kommen, hat man gleich Schützenhilfe. Wichtig ist auch, ehrlich zu sein und den Verbrauchern seine Arbeit und die Landwirtschaft möglichst einfach zu erklären. Wenn man zu fachlich schreibt, verstehen die das nicht und schalten ab.

Vielen Dank für das Gespräch.
Ich habe zu danken.

Alle Infos:
fragdenlandwirt.de
fragdenlandwirt auf Facebook

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